Re: Nachhilfeunterricht: Unterlegscheibchen


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hpn.de ]

Abgeschickt von ~Clemens am 18 September, 2006 um 15:06:56:

Antwort auf: Nachhilfeunterricht: Unterlegscheibchen von QTM am 17 September, 2006 um 10:31:16:


"...da mein Problemchen weder in meinem "Fachkunde
KFZ-Technik"-Buch noch im Internet beantwortet wird...:"

Karin,
dann schließ mal daraus, daß die es auch nicht wissen!

"1. Wieso überhaupt?"
Weil es sich so gehört! ;-)
Scheiben sollen die Oberflächen schützen. Sie gehören in jedem Fall überall da untergelegt, wo Schraubenkopf oder Mutter andernfalls auf einem weicheren Material zur Auflage kämen (Alu, Lack etc.) oder auf einer bearbeiteten Oberfläche, die sonst beschädigt werden würde. Also in erster Näherung wirklich überall. Besonders dicke Scheiben findest Du z.B. unter den Zylinderkopfmuttern. Die sollen die Auflagekraft auf eine größere Oberfläche verteilen, wie Yeti bereits geschrieben hat. Andernfalls würde das Material "fließen". So nennen Techniker das, was man manchmal z.B. an den Batteriepolen sieht, wenn nix untergelegt, aber erbarmungslos zugedreht wurde. Grundsätzlich sollte man keinem Bauteil ansehen können, ob's schon mal demontiert war oder nicht, auch wenn so manches zerschraubte Moped da eine ganz andere Sprache spricht.

"2. Wozu welches ?(gezähnte, dicke, dünne, gespaltene etc etc)"
Alles, was keine plane Scheibe ist, soll eine Schraubensicherung darstellen. Aus der Vielzahl der Bauformen kannst Du den Schluß ziehen, daß sich die "Großkopferten" in dem Punkt auch alle uneins sind. Du könntest daraus auch den Schluß ziehen, daß sie allesamt nix taugen - aber das habe ich jetzt nicht gesagt.
Grundsätzlich ist jedes Befestigungsgewinde (im Unterschied zu Bewegungsgewinden, wie etwa Trapezgewinden und dergleichen) selbsthemmend. Das heißt (leider mal wieder nur in erster Näherung), eine Schraube löst sich nicht von selbst. Das kann man rechnerisch nachweisen, wenn man sich das Gewinde als schiefe Ebene vorstellt. Die senkrechte Schraubenkraft erzeugt dann abhängig von der Neigung der Ebene (der Gewindesteigung) eine Hangabtriebskraft, die immer deutlich zu klein ist, um die Haftreibung (die ja ebenfalls aus der Schraubenkraft resultiert) zu überwinden.
Wozu also der ganze Quatsch?
Hmm, das bisher Gesagte stimmt nur bei statischer Betrachtung - also wenn wir uns alle Bauteile und alle wirkenden Kräfte(!) in Ruhe vorstellen. Diesen Zustand gibt's am (fahrenden) Moped eigentlich nirgends. Ein weiteres Problem entsteht dadurch, daß jede Schraube beim Anziehen durch das Anzugsmoment (genaugenommen nur durch einen Teil davon) tordiert wird. Diese Torsionsspannung bleibt in der Schraube erhalten, was Du daran erkennen kannst, daß sie sich nicht wieder ein Stückchen zurückdreht, wenn Du den Schraubenschlüssel wegnimmst.
Deshalb besteht bei dynamischer Belastung, wie etwa dem pulsierenden Innendruck im Zylinder, den ständigen kleinen Verformungen des Rahmens, dem vibrierenden Nummernschild usw. immer die Möglichkeit, daß sich die Schraube eben doch löst. Die beste konstruktive Maßnahme besteht - wie Yeti auch schon gesagt hat - darin, daß man trotz all des Kräfte-Tohuwabohus für eine möglichst konstante Schraubenkraft sorgt. Das erreicht man am einfachsten durch die Verwendung möglichst langer, schlanker Schrauben.
Die Schraubensicherungen lassen sich grob unterteilen, in solche, die einen Formschluß oder einen Kraftschluß herstellen oder die die Reibung erhöhen.
Formschluß: Am sichersten sind Bindedraht oder Blechscheiben, die nach dem Anziehen gegen eine Sechskantfläche gebogen werden.
Zahnscheiben haben am Moped nix zu suchen. Man findet sie manchmal bei Kunststoffteilen, Platinen etc., aber auch da schmeißt man sie m.E. am besten weg.
Federringe (die "Gespaltenen") sollen sich beim Anziehen etwas in die Fläche verbeißen und so auch einen Formschluß herstellen.
Kraftschluß: Dazu zählen Wellscheiben und evtl. auch noch die Federringe. Sie verhindern auf ihrem "Federweg", daß man die Mutter verliert, wenn sie sich bereits gelöst hat, indem sie o.g. Selbsthemmungsverhältnisse weiter aufrecht erhalten.
Erhöhung der Reibung: Loctite & Co.
Was bei dynamischer Last auch noch in den Blick gerät, ist die Zahl der Setzfugen. So bezeichnet man die die zusammengespannten Flächen, die sich unter pulsierenden Kräften weiter einebnen. Dadurch sinkt die Schraubenkraft und die Gefahr des selbsttätigen Lösens steigt. Deshalb versucht man, die Anzahl dieser Fugen möglichst klein zu halten, und alles, was man zusätzlich unter Schraubenkopf oder Mutter packt, erhöht deren Anzahl.
Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Kardanflansch am Getriebeausgang. Da gab's mal eine Zeit lang Federringe unter den Schrauben, die aber bald wieder weggelassen wurden.
Für uns Schrauber ergibt sich aus der Setzfugenproblematik die Forderung nach Sauberkeit. Jedes Sand- oder Staubkorn, daß zwischen die Auflageflächen gerät, wird dort über kurz oder lang in die Fläche einsinken und damit die Schraubenkraft reduzieren. Besonders an kritischen Verbindungen, wie etwa gerade dem Kardanflansch, kann man da garnicht pingelig genug sein.

"3. Welches Material wohin? "
Die Unterlegscheibe immer auf die zu schützende Oberfläche.

"4. Wenn mehrere: Gewindeseitig zuerst dünn, dann dick oder wie oder was?"
Siehe Punkt 3. Falls da noch 'ne dünnwandige Scheibe im Spiel ist, ist es wahrscheinlich eine "plattgemachte" Wellscheibe. -> Weglassen oder ersetzen.

Gegen das Verlieren hilft:
beim Demontieren: Boden fegen, bevor man mit dem Zerlegen beginnt und ein Sieb über'm Altölwännchen, wenn man den Ventildeckel abnimmt.
beim Montieren: Scheibe erst auf einen dünnen Schraubenzieher auffädeln und an diesem zum Bestimmungsort hinuntergleiten lassen. So klappt's auch mit meinen zehn Daumen an diesen !@#$ 6er Stehbolzen am Ventildeckel.

Gruß,

Clemens



Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hpn.de ]