Re: BMW R 80 GS GESPANN mit Sahib-Beiwagen


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Abgeschickt von ~Clemens am 16 Dezember, 2006 um 18:05:20:

Antwort auf: Re: BMW R 80 GS GESPANN mit Sahib-Beiwagen von guzzi am 15 Dezember, 2006 um 19:35:47:

: Aber: war das ein "igitt, lass die Finger weg" oder ein "naja, wat mutt datt mutt"???

Hmm, good question!
Next question, please!

Ich sag's mal so:
Grundsätzlich ist es völlig ausgeschlossen, daß Dir Dein erstes Gespann gleich gefallen wird. Das taugt nur, um überhaupt erst mal Gespannfahren zu lernen und rauszufinden, was Du wirklich willst. Nach spätestens einem Jahr wirst Du's wieder verhökern. Gespann Nr.2 sollte dann für die nächsten 10 Jahre passen, wahrscheinlich bleibt's aber länger (was auch damit zusammen hängt, daß die Kinder immer teurer werden, Du Dir irgendwann ein Haus kaufen wirst und überhaupt ...).
Also kauf Dir Dein erstes Gespann unter diesem Gesichtspunkt. Entweder 'ne volkseigene Emme (mit der lernst Du am meisten), um die es nicht schade ist, wenn Du sie um einen Baum wickelst oder was Wertbeständiges, wie z.B. einen BMW-Oldie oder 'ne solide Guzzi, die Du nach diesem Jahr ohne Verlust wieder verkaufen kannst (aber versicher sie gut!).

Bevor Du Deine Kinder oder sonst jemanden auf'm Gespann mitnimmst, solltest Du mindestens 10.000km Fahrpraxis haben. Das brauchst Du einfach, um all die notwendigen Reflexe ins Rückenmark einzuprogrammieren. Gespannfahren hat - abgesehen vom "user interface" - ziemlich wenig mit Motorradfahren gemeinsam, sondern gehört eher in die Kategorie "angewandte Vektorrechnung", wie etwa Segeln oder Wildwasserpaddeln. Jeder Kilometer, den Du mit Solomaschinen gefahren bist, hindert Dich beim Gespannfahrenlernen und immer wenn Du denkst, Du kannst's jetzt, hat das Ding nochmal 'ne Überraschung parat. Ich habe seinerzeit an der Kuh den Stempel abgekratzt und bin einen Sommer lang nur mit der Klemm-Z rumgegurkt.

Gespann Nr.2, das ist dann wirklich ein Problem. Ich habe mich ewig lang auf dem Gebrauchtmarkt umgeguckt, dies und jenes probegefahren und war mit nix zufrieden. Letztendlich habe ich - wie feine Leute - meine gerade mal zwei Jahre alte GS zum Gespannbauer gebracht und habe dort den Prospekt leergekauft. Das Resultat hatte dann zwar immer noch mehr Fehler als ein Hund Flöhe, aber das ist immer so und das Grundkonzept paßt für mich auch heute noch. Hab' noch kein Gespann gesehen, gegen das ich meines hätte eintauschen wollen. Das Ding fühlt sich an und fährt sich genau so, wie's meiner Ansicht nach sein muß. Der Gespannbauer selbst hat nicht schlecht gestaunt, und seine Jungs in der Werkstatt haben mich genau gemustert, weil sie wissen wollten, wer sich dieses "Räubergespann" hat aufbauen lassen.
Grundsätzlich gehen die Meinungen, wie ein gutes Gespann beschaffen sein soll aber weit auseinander, und Du kannst zwei x-beliebige Gespannfahrer ihre Dreiräder tauschen lassen und dabei sicher sein, daß hinterher jeder dem jeweils anderen bescheinigen wird, daß seine Krücke absolut unfahrbar sei.

Ein Gespann ist immer ein handwerklich gefertigtes Kleinod, so wie etwa Deine HPN. Wenn Du Dich allerdings in der Szene so umguckst, dann fällt auf, daß dieser Vergleich doch sehr hinkt. HPN beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit einem einzigen Moped, bietet handwerklich hervorragende Arbeit und auch in weiten Bereichen überzeugendes Engineering, wobei sie offenbar auch noch besten Zugang zu den Entwicklungsabteilungen und -unterlagen von BMW haben. Das ist 'ne ziemliche Ausnahmestellung - und das Produkt fällt entsprechend aus.
Bei den Gespannbauern ist es hingegen meist so, daß die ausnahmslos jeden Kundenwunsch annehmen und erfüllen wollen, egal wie abstrus er ist, weil sonst eben ein anderer den Deal macht. Einige wenige Firmen (und das sind ausnahmslos die besseren) konzentrieren sich auf nur ein oder einige wenige Modelle. Ansonsten findest Du dort alle möglichen Leute, wie Ingenieure, denen's womögliche am handwerklichen Geschick fehlt oder häufiger Handwerksmeister, denen es am theoretischen Background mangelt. Das Ergebnis sind - neben konzeptionellen Fehlern - oft haarsträubende Fehldimensionierungen, meist in Richtung Überdimensionierung, und so manches Gespann muß durch eine gezielte Bauteilschwächung vor'm Zerbröseln auf dem Pulserprüfstand bewahrt werden. An meinem Gespann sind auf der Hinterradschwinge zwei unmögliche, 10mm dicke Flacheisengeschwüre draufgebruzzelt, die die untere Federbeinaufnahme darstellen sollen. An der Vorderradschwinge sind's beiderseits 6mm dicke Flacheisen. Die Vorderradschwinge selbst hängt hingegen mit einem blechernen U-Profilchen an der Gabel, das - scharfkantig abgewinkelt - keine 3mm Wandstärke hat! So'n Zeuch findest Du haufenweise an fast jedem Gespann.

Doch jetzt zum aktuellen Objekt der Begierde: Mein Fall wär's nicht, aber das heißt zunächst mal garnichts. Die Fotos geben nicht viel her, aber mir kommt's so vor, als ob da vorne ziemlich viel Nachlauf vorhanden wäre. Im Gelände kugelt Dir das die Arme aus. Wo sich mir endgültig die Zehennägel hochrollen, das ist jedoch der Anschluß hinten oben. Bitte wo soll der sich denn abstützen? Das Rahmenheck ist doch solo schon grenzwertig und schreit nach Verstärkung. Der BMW-Rahmen bricht im Gespannbetrieb immer am rechten Unterzug oberhalb des vorderen oberen Seitenwagenanschlusses. Das passiert, wenn man's bei ordentlicher Beladung in Linkskurven zu doll treibt und betrifft auch Umbauten, die den kompletten Hauptrahmen gegen was stärkeres austauschen. Mag sein, daß hochbeinige Endurogespanne mit schmalen Vorderreifen weniger gefährdet sind, weil sie solche Querkräfte garnicht erst hinbekommen, aber grundsätzlich ist das der Schwachpunkt. Wenn jetzt, wie im vorliegenden Beispiel, von hinten keine Unterstützung kommt, weil die Strebe ins Leere boxt und den Heckrahmen diagonal verformt, dann biegt sich der ganze Verhau über die Achse vom vorderen oberen zum hinteren unteren Anschlußpunkt und die Biegespannungen an o.g. typischer Bruchstelle steigt ins Nirwana. Dem könnte man evtl. abhelfen, wenn man über der Batterie X-förmig zwei diagonale Streben einzieht, aber wer so weit denkt, der denkt auch noch etwas weiter und sucht sich einen anderen Anschlußpunkt für die Strebe. An meinem Gespann greift die z.B. direkt ans offene Rückgratrohr und dabei kann sogar die Batterie an ihrem Platz bleiben. So pfiffig hab ich das allerdings noch nirgendwo sonst gesehen.

Gruß,

Clemens





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